von Alexandra Kohle, Projektleiterin Digitale Professionalisierung, AEEB

Das Streaming von Gottesdiensten, vor Allem aus der eigenen Kirchengemeinde, hat während Corona vielen Menschen Halt und Hoffnung gegeben. Anders hätte man in dieser physisch und psychisch so belastenden Zeit ja auch gar nicht am vertrauten, heimischen Gottesdienst teilnehmen können. Aber braucht es jetzt, wo es keine Kontaktbeschränkungen mehr gibt, noch das Streaming von lokalen Gottesdiensten? Ist es Zeit, andere Formen der Onlineverkündigung auszuprobieren oder sollte man lieber mehr Energie in Präsenzangebote stecken um das Kirchengebäude am Sonntag wieder voll zu bekommen?

Während der Pandemie wurden mehrere Studien zu dem Thema durchgeführt. Aus diesen geht hervor, dass sich sehr viele Menschen damals gewünscht haben, dass es auch nach Corona weiterhin Online-Gottesdienste geben würde.

1 Genereller Wunsch auf Beibehaltung von Online-Gottesdiensten aus: ReTeOG-Studie, S. 12.

Einige der Gemeinden, die auch 2023 noch Gottesdienste streamen, bestätigen, dass das auch heute noch gilt:

„Das Streamen hat sich nicht negativ auf den Gottesdienstbesuch vor Ort ausgewirkt. Im Gegenteil, wir haben den Eindruck, dass mehr Gottesdienstbesucher ihren Weg in die Friedenskirche finden.“ (Gottesdienststream Friedenskirche, Zwischenbericht)

Wer nutzt Online-Gottesdienste?

Viele Menschen bevorzugen Online-Gottesdienste aufgrund der zeitlichen Flexibilität. Nicht nur, weil sie dann am Sonntagvormittag frei sind für andere Aktivitäten, sondern auch weil sich der Gottesdienst so besser in den Alltag integrieren lässt. Eltern von kleinen Kindern können damit zum Beispiel abends gemeinsam den Gottesdienst „besuchen“, während die Kinder schlafen. Und sollte ein Kind in der Zeit nochmal Hilfe beim Einschlafen brauchen, dann wird der Gottesdienst einfach pausiert.

In einigen Familien hat es auch dazu geführt, dass zum ersten Mal alle gemeinsam an Weihnachten am Gottesdienst teilnehmen. Sonst ist es schließlich oft so, dass ein paar Familienmitglieder zu Hause bleiben, um noch letzte Vorbereitungen zu treffen oder weil sie schlicht die Kälte scheuen.

Auch die örtliche Flexibilität wird von einigen Menschen sehr geschätzt. Vor Allem ältere Gläubige, die aufgrund eingeschränkter Mobilität nicht mehr in das Gotteshaus kommen können, genießen es sehr, ihre Kirche mit den vertrauten Gesichtern am Sonntag online zu sehen.

Dieser Effekt wird auch durch die Witterungsbedingungen nochmal verstärkt. Die Erfahrung hat vielerorts gezeigt, dass digitale Gottesdienstformate vor allem in der kalten Jahreszeit sehr gut angenommen werden, während die gleichen Formate im Sommer kaum genutzt wurden. Das bezieht sich aber nicht nur auf ältere Gemeindemitglieder, sondern auch auf Kinder und Familien.

Außerdem gibt es Genießer*innen, die sich im Nachgang an einen Gottesdienst gerne die Musik oder auch die Predigt noch einmal anhören möchten.

Lohnt sich der Aufwand?

Auf der einen Seite kann eine Gemeinde, bzw. die evangelische Kirche als Ganzes, mit Online-Gottesdiensten die spirituellen Bedürfnisse und Wünsche vieler Gläubigen in der heutigen Zeit decken. Auf der anderen Seite braucht es, je nachdem, was man vorhat, spezielles Equipment und es braucht Leute, die die Geräte bedienen können und auch vor der Kamera stehen wollen. Deswegen stehen und fallen viele solcher Projekte mit der Technikkompetenz der Ehrenamtlichen und der Unterstützungsbereitschaft der Hauptamtlichen. So gab es zum Beispiel immer wieder Probleme mit Organist*innen, die nicht wollten, dass ihre Musik online gestellt wird, mit Liedrechten bei modernem Liedgut oder damit, dass einfach kein Termin gefunden wurde an dem das Team gemeinsam Zeit hatte, um einen Gottesdienst zu streamen.

Die Chancen für die Kirche sind groß, aber die Herausforderungen genauso.

Wann lohnt sich dieser Aufwand? Es gibt schließlich auch Streaming-Projekte für mehrere 10.000 €, die im Monat mit Ihren Online-Gottesdiensten keine 100 Klicks erreichen. Ist es egal, wie viel Geld und Zeit investiert werden, wenn nur einige Gläubige die Möglichkeit haben einen Gottesdienst zu feiern, an dem sie sonst nicht hätten teilnehmen können? Oder umgekehrt gefragt: Wie viel Geld sollte ein Gottesdienst pro Person kosten?

Inspirationen für gelungene Online-Gottesdienste

Das Feedback der Digitalstrategie-Projekte hat gezeigt, dass eigens für den digitalen Raum produzierte Formate besser angenommen werden als einfach nur gestreamte Gottesdienste.

Kurz-Gottesdienst mit Lokalkolorit: Schnipselgottesdienst

Ein Video von 10 bis 15 Minuten mit vielen Schnitten, unterschiedlichen Perspektiven und Geschwindigkeiten. Mal wird eindringlich gesprochen, mal musiziert und dann wird wieder geschwiegen. Die Schnipselgottesdienste des Dekanat Bamberg werden jeden Monat nach einem Regieplan aus einzelnen Videoaufnahmen von unterschiedlichen Personen zu einem zusammenhängenden Gottesdienst zusammengeschnitten. Die Erfahrungen aus Bamberg zeigen: wenn lokale Personen oder Themen vorkommen, sind die Klickzahlen insgesamt höher und die Klientel, die die Schnipselgottesdienste anschaut, ist eine ganz andere als die, die in die Gottesdienste vor Ort geht. Man macht sich also nicht selbst Konkurrenz.

Dafür braucht man Menschen, die einen Regieplan aufstellen können, bereit sind sich selbst mit dem Smartphone aufzunehmen und die ein Video schneiden können, bzw. wissen, wie Ton- und Bildqualität im Nachgang verbessert werden können.

Interaktiver Überraschungs-/Bastel-Gottesdienst für Kinder

Sonntagmorgen in Deutschland: Die Eltern unterhalten sich in der Küche gemütlich bei Kaffee und Brötchen, während die Kinder ganz aufgeregt vor dem Laptop sitzen und sich darauf freuen, dass der Gottesdienst endlich losgeht. Schließlich dürfen sie dann endlich die Überraschungstüten (voll mit Bastelmaterial) aufmachen und spannende Geschichte hören, während sie malen und basteln. Die Kinder haben Spaß, lernen etwas sinnvolles und die Eltern haben einen entspannten Morgen und bekommen vielleicht noch ein tolles selbstgebasteltes Geschenk.

Dafür müssen die Bastelmaterialien vorbereitet und ggf. rechtzeitig verschickt werden. Außerdem braucht es eine Lizenz für ein Datenschutzkonformes Videokonferenz-Tool, wie zum Beispiel Zoom.

Kinofeeling in der Kirche

Die Atmosphäre in der Kirche ist etwas ganz Besonderes! Warum sollte man das nicht nutzen, um besondere Gottesdienste (zum Beispiel KI-Gottesdienst vom Kirchentag) oder musikalische Highlights gemeinsam in der Kirche zu genießen und danach vielleicht bei einer Tasse Kaffee im Gemeindehaus darüber zu diskutieren?

Dafür braucht es in der Kirche eine gute Internetanbindung, einen Beamer, eine möglichst große Leinwand und eine gute Lautsprecheranlage.

Video-Aufnahmen von wichtigen Ereignissen

Viele Ehepaar besitzen ein Fotoalbum mit Hochzeitsbildern. Aber nur die wenigsten haben die Möglichkeit, sich ihren Hochzeitsgottesdienst nochmal als Video anzusehen – und wenn dann meist nur als verwackelte Handyaufnahme von einem gutmeinenden Gast. Aber wäre es nicht auch schön, den Gottesdienst nochmal richtig mitzuerleben? Mit klangechter Musik und gestochen scharfen Bildern, von denen man nicht seekrank wird? Einige Kirchen bieten heute schon den Service an, professionelle Videos von Hochzeiten, Taufen oder Konfirmationen aufzunehmen.

Dafür benötigt die Kirche mindestens eine Kamera (zwei wären besser, um Szenenwechsel zu ermöglichen), mehrere Mikrofone (zum Beispiel Ansteckmikrofone für alle, die während dem Gottesdienst etwas zu sagen haben) und helfende Hände, die die Aufnahmen machen und im Anschluss schneiden.

Fazit

Ob und welche Online-Gottesdienst-Formate heute noch Sinn machen, hängt wie so oft davon ab, welches Ziel man hat. Sollen zum Beispiel ältere Gläubige, solche mit eingeschränkter Mobilität, trotzdem noch die Möglichkeit haben den gewohnten Sonntagsgottesdienst mit den bekannten Gesichtern zu sehen? Dann ist das Streaming des klassischen Sonntagsgottesdienstes wahrscheinlich das richtige. Sollen dagegen jüngere Menschen angesprochen werden, sollte man ein eigenes Format entwickeln, um die Vorteile des Digitalen zu nutzen und vielleicht auch mehr Interaktion ermöglichen, wie zum Beispiel der Wundertütengottesdienst für Kinder.

Mit Online-Angeboten ist es genauso wie in Präsenz auch: ein Gottesdienst wird niemals allen gleich gut gefallen. Es wird immer Menschen geben, die sich eine längere/kürzere Predigt, mehr moderne/traditionelle Musik oder mehr/weniger Interaktion wünschen. Auch heute gibt es viele Menschen, für die Online-Gottesdienste eine große Bereicherung ihres Lebens sind. Allerdings haben diese Menschen sehr unterschiedliche Bedürfnisse und Wünsche. Deswegen sollte man zuerst eine Zielgruppe identifizieren und dann versuchen ein Format zu finden, um genau diese Menschen anzusprechen.


Quellen

R. P. Reimann & H. Sievert et al.: Update der Befragungsstudie „Rezipiententypologie evangelischer Online-Gottesdienstbesucher*innen während und nach der Corona-Krise“ (2021). https://www.ekir.de/url/Xhh


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