von Prof. Dr. Katrin Valentin, Forschungsprofessur, Evang. Hochschule Nürnberg und Johannes Mahlmann (M.Sc.), Referent Digitalisierung, Evang. Hochschule Nürnberg

Es ist offensichtlich: Die sich derzeit abspielenden großen Transformationsprozesse und die damit einhergehenden Veränderungen bergen großes Überforderungspotenzial in sich. Die Gefahr besteht, dass verschiedene dringende Anliegen gegeneinander ausgespielt werden. Da passiert es leicht einmal, dass eine innovative digitale Technik aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit gleich vom Tisch gefegt wird oder umgekehrt Hals über Kopf eingesetzt wird, ohne sich darum zu kümmern, ob es in Bezug auf Fragen der Nachhaltigkeit überhaupt vertretbar ist, diese zu wählen.

Nachhaltigkeit und Digitalisierung werden in verschiedenen kirchlichen Strategiepapieren und Gesetzen berücksichtigt. Doch die Verwobenheit dieser beiden Aspekte findet bisher noch unzureichend Berücksichtigung. Zwar beschreiben beispielsweise sowohl das neue landeskirchliche Klimaschutzgesetz (KliSchG) von 2024 als auch die ELKB-Digitalstrategie (ELKB 2019) Mechanismen, die auf eine zukunftsfähige und verantwortliche Gestaltung von Kirche zielen, allerdings wird in den resultierenden Maßnahmen kaum die jeweils andere Perspektive berücksichtigt. Dabei beeinflussen sich diese auf verschiedenen Ebenen wechselseitig – und zwar positiv wie negativ (WBGU 2019; Göpel et al. 2020). Um zeitgemäße verbindliche Handlungsgrundlagen für kirchliche Akteur*innen zu entwickeln, ist es notwendig, diese Zusammenhänge in den Blick zu nehmen. Dieser Artikel skizziert hierzu Gedanken aus einer übergeordneten Perspektive, die als Ausgangspunkt für praktische Maßnahmen dienen kann.

Die digitale Transformation, worunter hier die Veränderungen zu verstehen sind, welche mit der zunehmenden Mediatisierung unserer Gesellschaft einhergehen, ist mit einem grundlegenden Wandel in Bezug auf gesellschaftliche Systeme und Alltagspraxen verbunden (Miebach 2020): Das Soziale konstituiert sich in veränderter Weise, neue Bedürftigkeiten entstehen, neue Handlungslogiken der Partizipation fordern neue Kompetenzen u.v.m. (vgl. unter anderem Bertsche / Como-Zipfel 2024). Ähnliche verändernde Wucht hat die sozial-ökologische Transformation. Hier geht es um Nachhaltigkeit im Sinne der UNESCO – sie hat zwei Orientierungen: die Wahrung der Grenzen des Planeten und intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit (Brundlandt 1987). Auch hier sind die Veränderungen weitreichend und die Folgen vor allem unserer nicht-nachhaltigen Lebensweise gewaltig. Bekanntermaßen sorgen wir als Weltgemeinschaft durch unsere Lebensweise für eine Erdsystemkrise, die sich in der Zerstörung von Ökosystemen äußert (Steffen et al. 2015). Wir leben in ausbeuterischen Verhältnissen zu erheblichen Teilen der Menschheit sowie Flora und Fauna. Dementsprechend gilt für beide Orientierungen, dass ihnen eine immense Dringlichkeit innewohnt.

Beispiele für die Verwobenheit von Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind der Ressourcenverbrauch, der mit Anschaffung und Nutzung digitaler Technologie verbunden ist (aktuell z.B. die Rechnerleistung bei der Nutzung von KI) sowie die sich erweiternde soziale Ungleichheit durch heterogene Zugangsmöglichkeiten zu digitaler Technologie, welche die Schere zwischen Reich und Arm noch größer werden lässt. Vor diesem Hintergrund kann die geschilderte Sachlogik auf einer personalen sowie institutionellen Ebene differenziert werden: Zum einen ist die Informationskompetenz kirchlicher Mitarbeitender ein wesentlicher Faktor, wenn Entscheidungen auf Basis lückenhafter Daten- und Informationen getroffen werden müssen. Darüber hinaus sind verbindliche Konzeptionen einer zukunftsfähigen Digitalisierung in Kirche und Diakonie erforderlich, die soziale und ökologische Nachhaltigkeit als integrale Bausteine beinhalten.

Einen gemeinsamen Nenner haben beide Orientierungen, wenn es um Informationskompetenz geht. Die Weltgemeinschaft steht vor der schwierigen Aufgabe, sich auf gemeinsame Tatsachen zu einigen (Club of Rome 2022). Dies fällt in Zeiten der Digitalisierung immer schwerer, können Inhalte doch überzeugend dargelegt werden, obwohl sie jeglichem Wahrheitsgehalt entbehren. Es ist jedoch klar, dass sich die notwendigen Transformationsprozesse hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft nur dann realisieren können, wenn ein fundiertes aufgeklärtes Wissen bei den Entscheider*innen – und in einer Demokratie ist das die ganze Bevölkerung – vorliegt. Im Klartext bedeutet dies, dass digitale Kompetenzen, wie Informationskompetenz (Homann 2000, Ballod 2005), die auch die Unterscheidung zwischen Fakenews und Fakten beinhalten, sowohl hinsichtlich einer digitalen wie auch sozial-ökologischen Transformation von zentraler Wichtigkeit sind.

Darüber hinaus können die genannten Orientierungspunkte institutionsweit gedacht und entfaltet werden, wenn Nachhaltigkeit und Digitalisierung als komplementäre Bausteine einer Unternehmenskultur in Kirche und Diakonie konzeptionell verankert werden. Dabei könnten insbesondere drei Leitprinzipien einer zukunftsfähigen Digitalisierung helfen, kirchlichen Einrichtungen eine klare Richtung zu geben. Neben einem konsequenten Datenschutz und einer stringenten Gemeinwohlorientierung sind es vor allem Aspekte, welche Lange und Santarius (2018) als digitale Suffizienz zusammenfassen. Dieser Begriff zielt dabei weniger auf individuelle verhaltensbezogene Änderungen, sondern vielmehr auf strategische Prozesse, die einen Haltungswandel in einem Unternehmen begünstigen können: beispielsweise, wenn es darum geht, das Anschaffungswesen unter den Kriterien Langlebigkeit und Systemkompatibilität neuer digitaler Endgeräte auszurichten oder den Umgang mit Datenflüssen und Datenspeicherung nach dem Prinzip “so viel wie nötig aber so wenig wie möglich” zu gestalten.

Digitale und sozial-ökologische Transformation, so das Fazit dieses Beitrags, ist vor allem eine Frage der klugen Passung: Nachhaltigkeit im Kontext des Digitalen und/oder das Digitale im Kontext der Nachhaltigkeit. Die jeweilige Ausrichtung muss immer wieder neu ver- und ausgehandelt werden. Wie eine solche Passung anhand konkreter Beispiele aussehen kann, sehen Sie im aktuellen Adventskalender, den Sie auf der Startseite finden.


Quellen

Ballod, M. (2005). Informationskompetenz. Dimensionen eines Begriffs. In: Computer und Unterricht, Jg. 15, H. 59, S. 44–46.
Bertsche, O. / Como-Zipfel, F. (2024): Digitalisierung. Herausforderungen und Handlungsansätze für die Soziale Arbeit. Kohlhammer Verlag.
Brundlandt – WCED (World Commission on Environment and Development ) (Hg.) (1987). Our common future. Online: http://www.un-documents.net/wced-ocf.htm (23.11.24).
Club of Rome (Hg.) (2022). Earth for all. Ein Survivalguide für unseren Planten. Oekom Verlag.
Evangelisch-Lutherische Landeskirche Bayern (ELKB) (2019). Leitlinien einer ELKB-Digitalstrategie. Unveröffentlichtes Dokument.
Göpel, M. / Leitschuh, H. / Brunnengräber, A. / Ibisch, P. L. / Loske, R. / Müller, M. et al. (Hg.) (2020). Die Ökologie der digitalen Gesellschaft. S. Hirzel Verlag (Jahrbuch Ökologie, 2019/2020).
Homann, B. (2000). Dynamisches Modell der Informationskompetenz (DYMIK). Didaktisch-methodische Grundlagen für die Vermittlung von Methodenkompetenz an der UB Heidelberg. In: Theke. Informationsblatt der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bibliothekssystem der Universität Heidelberg, S. 86–93.
Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Bayern (2024). Klimaschutzgesetz der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (KliSchG). Online: https://umwelt-evangelisch.de/images/files/download-dateien/klimaschutzgesetz-elkb/Klimaschutzgesetz%20der%20ELKB%20beschlossene%20Fassung.pdf (23.11.24).
Lange, S. / Santarius, T. (2018). Smarte grüne Welt. Digitalisierung zwischen Überwachung, Konsum und Nachhaltigkeit. Oekom Verlag.
Miebach, B. (2020). Digitale Transformation Von Wirtschaft und Gesellschaft. Wie KI, Social Media und Big Data Unsere Lebenswelt Verändern. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH. Online: https://ebookcentral.proquest.com/lib/kxp/detail.action?docID=6426714 (23.11.24).
Steffen, W. / Richardson, K. / Rockström, J. / Cornell, S.E. / Fetzer, I. / Bennett, E.M. / Biggs, R. / Carpenter, S.R. / de Vries, W. / de Wit, C.A. / Folke, C. / Gerten, D. / Heinke, J. / Mace, G.M. / Persson, L.M. / Ramanathan, V. / Reyers, B. / Sörlin, S. (2015). Sustainability. Planetary boundaries: guiding human development on a changing planet. In: Science (New York, N.Y.), H. 6223: 347.
WBGU (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung für globale Umweltveränderungen (Hg.) (2019). Hauptgutachten. Unsere gemeinsame digitale Zukunft. Berlin. Online: https://www.wbgu.de/de/publikationen/publikation/unsere-gemeinsame-digitale-zukunft (23.11.24).


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