von Johannes Mahlmann, Diakon, wissenschaftlicher Mitarbeiter Evangelische Hochschule Nürnberg | veröffentlicht am 29. Juli 2024

Künstliche Intelligenz (KI) hat seit dem Release von ChatGPT durch die Firma OpenAI im November 2022 zunehmende Auswirkungen auf viele Lebens- und Arbeitsbereiche. So auch auf Lehren und Lernen in den verschiedenen Bildungseinrichtungen der Erwachsenenbildung (Aus-, Fort- und Weiterbildungseinrichtungen sowie Universitäten und Hochschulen). Die niedrigschwellige Zugangsmöglichkeit zu generativen KI-Systemen (z.B. Large Language Models (LLMs) oder Bildgeneratoren) wirft die grundlegende Frage auf, wie sich Bildungseinrichtungen vor diesem Hintergrund positionieren. Dabei geht es häufig darum, in welcher Form Lehrenden und Lernenden ein solches KI-System zielführend zur Verfügung gestellt werden kann. Diese Frage ist weiterführend u.a. mit prüfungsrechtlichen und pädagogisch-didaktischen Aspekten verbunden. Aus pädagogisch-didaktischer Sicht ist relevant, wie generative KI-Systeme mit einem Mehrwert in Lehr-Lernprozesse eingebunden und für einen zielgerichteten Kompetenzerwerb der Lernenden nutzbar gemacht werden können, ohne bewährte Formen des Lehrens und Lernens zu beschränken. Wo digitale Produkte wie Texte quasi auf Knopfdruck entstehen, kann dieser Mehrwert in Quellenarbeit, Nachdenken und Diskurs über die zugrunde liegenden inhaltlichen Gegenstände liegen (KU, 2024). Aus prüfungsrechtlicher Sicht muss sichergestellt werden, dass von Lernenden entsprechende Systeme nicht missbräuchlich eingesetzt werden, was zudem Auswirkungen auf die Gestaltung von Prüfungen hat (z.B. bezüglich kompetenzorientierter Prüfungsformate mit einem hohen Transferleistungsanteil).

Ein Vergleich aus dem hochschulischen Kontext zeigt, dass die meisten Hochschulen Lehrenden und Lernenden ein KI-System zur Verfügung stellen (möchten), um den Einsatz künstlicher Intelligenz in entsprechenden Bahnen ordnen zu können (Tobor, 2024). Dieser Schritt ist für Bildungseinrichtungen allerdings mit einigen organisatorischen und technischen Herausforderung verbunden. Zum einen muss ein solches System den geschilderten pädagogischen Anforderungen gerecht werden und daher auf die Bedürfnisse von Bildungseinrichtungen zugeschnitten sein. Zum andere muss das zu etablierende System datenschutzkonform betrieben werden können und sich möglichst gut in die bestehende technische Infrastruktur der Einrichtung integrieren lassen. Hinzu kommt, dass die Nutzung proprietärer (herstellergebundenen) Anwendungen wie ChatGPT der Firma OpenAI (zumindest mit den leistungsstarken Modellen – z.B. GPT4o) mit erheblichen Nutzungsgebühren verbunden sein kann.

HAWKI als systemische Lösung

Eine Lösung für die skizzierten Anforderungen kann das didaktische User-Interface HAWKI sein, welches von der Hochschule Holzminden, Hildesheim, Göttingen entwickelt und als Open-Source Instrument über die Plattform GitHub zur Verfügung gestellt wurde. Es handelt sich dabei um eine Benutzeroberfläche, die auf die Bedürfnisse von Bildungseinrichtungen zugeschnitten ist. Zunächst wurde die Oberfläche für hochschulische Bedarfe entwickelt. Zwischenzeitlich zeigt jedoch, dass auch Bildungsträger außerhalb der Hochschulen das System für Ihre Zwecke nutzen (Tobor, 2024).

Was kann HAWKI?

Die Benutzeroberfläche ist mit drei Funktionen verknüpft.

  • Die Funktion “Chat” bietet eine vergleichbare Funktion wie klassische LLMs (z. B. ChatGPT)
  • Die Funktion “Team” beinhaltet verschiedene virtuelle Expert*innen, die zu ausgewählten Wissensgebieten Auskunft geben können. Diese sind mit entsprechenden Systemprompts hinterlegt, können jedoch an die Bedarfe einer Institution angepasst werden. Voreingestellt sind hier beispielsweise die Bereiche Marketing, Social Media und Rechtsberatung.
  • Zuletzt sollen definierte Lernräume dabei helfen, verschiedenen Unterstützungsmöglichkeiten zu verstehen und zu lernen, was einen effektiven Prompt ausmacht. Welche Unterstützungsmöglichkeiten damit gemeint sind, kann ebenfalls definiert werden. Voreingestellt sind die Bereiche wissenschaftliches Arbeiten, Organisation und Kreativität, die jeweils in weiterführende Kategorien unterteilt und jeweils mit konkreten exemplarischen Prompt-Vorschlägen hinterlegt sind.

Vor diesem Hintergrund schafft HAWKI einen Raum, der Lernende wie Lehrende dazu einlädt, Möglichkeiten und Grenzen generativer KI-Modelle zu erforschen. Mit welchen Prompts lässt sich ein Thema erschließen? Wie können Inhalte generierter Texte auf Richtigkeit überprüft werden? Wie können solche KI-Systeme zielgerichtet für definierte Zwecke eingesetzt werden (z. B. zur Entwicklung eines eigenen spezifischen Bots)? Wie kann KI in Entscheidungsprozessen so genutzt werden, dass eine differenziert eigene Auseinandersetzung mit einem Gegenstandsbereich nicht zu kurz kommt? (Ehlers et al., 2023) Bei all dem ist KI kein Ersatz pädagogischer Kompetenz, sondern lediglich ein Hilfsmittel, welches den Lernprozess unterstützen kann und entsprechender Begleitung bedarf.

Technische Umsetzung

HAWKI kann auf Basis verschiedener LLMs betrieben werden. Neben dem proprietären System ChatGPT 4o können auch Open-Source LLMs über spezifische Programmierschnittstellen (APIs) in das Interface eingebunden werden. Dabei handelt es sich um die Modelle Intel Neural Chat 7B, Meta llama 3 70B, Mistral 8x7B und Qwen 1.5 72B, welche vom Rechenzentrum der Georg-August-Universität Göttingen (Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung – GDGW) zur Verfügung gestellt werden. Ein Wechsel zwischen den Modellen ist möglich, sodass z.B. auch ein Funktionalitätsvergleich der unterschiedlichen Modelle im laufenden Prozess denkbar ist. Vorteil bei diesem Verfahren ist, dass die jeweilige Einrichtung als eigenständige Einheit gegenüber dem Anbieter fungiert und die tatsächlichen Nutzenden (z.B. die Lernenden) dahinter nicht erkennbar sind. Personenbezogene Daten werden damit nicht (z.B. an OpenAI) weitergeleitet und ein datenschutzkonformer Betrieb wird möglich. Dafür muss HAWKI allerdings in einer eigenen Serverinfrastruktur aufgesetzt und betrieben werden.

Kosten

Kosten entstehen einer Bildungseinrichtung sowohl für die Aufsetzung (Kosten für Hardware (Server) und Einrichtung), den Roll-Out des Systems (z.B. Schulung der Mitarbeitenden) sowie für Lizenzgebühren, sofern sich für den Einsatz des proprietären GPT4o Modells entschieden wird. Für die Nutzung des User-Interface HAWKI selbst fallen keine Kosten an. Ebenso ist die Einbindung der Open-Source LLMs über die GDGW kostenfrei. Sollte sich eine Bildungseinrichtung für den Einsatz eines GPT Modells von OpenAI entscheiden, erfolgt die Abrechnung tokenbasiert. D.h. die Kosten berechnen sich am jeweiligen Nutzungsumfang (ein Token = ein Wortbestandteil). Je mehr Token in das System ein- oder durch dieses ausgegeben werden (D.h. je mehr Text das System produziert), desto höher sind die Kosten. Aktuell veranschlagt OpenAI für die Nutzung des GPT 4o-Modelles 15 USD / 1Mio. Token. Das klingt zunächst nach nicht viel, dennoch können so schnell erhebliche Kosten entstehen.

Bedeutsam ist bei all dem, dass es viele gute Gründe gibt, KI nicht in den pädagogischen Alltag zu integrieren. Es ist und bleibt eine strategische Frage, die Institutionen auf Basis ihrer Bedarfe oder ihrer Ausrichtungen klären müssen. Wenn sich Einrichtungen jedoch grundsätzlich entscheiden KI in ihre Bildungsprozesse zu integrieren, kann HAWKI ein gangbarer Weg sein.


Ehlers, U.-D., Lindner, M., Rauch, E. (2023): AIComp – Future Skills für eine durch KI geprägte Welt. Online: https://next-education.org/downloads/2024-03-20-21-AIComp-FutureSkills-Modell.pdf
KU Katholische Universität Eichstädt-Ingolstadt (2024). KI in der Hochschullehre. Eine Handreichung für die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt. Online: https://www.ku.de/fileadmin/2151/Handreichung_KI_in_der_Hochschullehre_03-2024_.pdf
Tobor (2024). Leitlinien zum Umgang mit generativer KI. Online: https://hochschulforumdigitalisierung.de/wp-content/uploads/2024/02/HFD_Blickpunkt_KI-Leitlinien_final.pdf
Tobor (2024). Interaktion mit KI-Systemen: vom Prototyp zum nachgefragten Interface. Online: https://hochschulforumdigitalisierung.de/hawki-interaktion-mit-ki-systemen/#Seitdem%20ist%20viel%20passiert

Kategorien: Bildung

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