von Jens Palkowitsch-Kühl, Referent für digitale Bildung, RPZ Heilsbronn | veröffentlicht am 4. September 2023
Miraculous: Ladybug & Cat Noir
Mit dem Kinostart von Miraculous: Ladybug und Cat Noir Anfang Juli dieses Jahres betreten zwei Held*innen die große Kinoleinwand, die erholsam anders sind. Der Austragungsort ist Frankreich, Paris, wo die schüchterne Bäckerstochter Marinette und der halbwaise Milliardärssohn Adrien, der in einem goldenen Käfig wohnt, zu den Superheld*innen Ladybug und Cat Noir werden, um sich dem Chaos, welches Hawk Moth verursacht, entgegenzustellen.
Doch wie wurden Marinette und Adrien zu Superheld*innen? Die Antwort liegt im Motto, welches den Film durchzieht: “Wer ein Menschenleben rettet, der rettet die ganze Welt”. Dieses aus dem Talmud sinngemäß übernommene Sprichwort “Wer ein Menschenleben rettet, dem wird es angerechnet, als würde er die ganze Welt retten. [Und wer ein Menschenleben zu Unrecht auslöscht, dem wird es angerechnet, als hätte er die ganze Welt zerstört.]” (Sanhedrin 37a)
Beide haben sich durch ihre Taten als würdig erwiesen, Träger*innen eines Miraculous (Schmuckstücks) zu sein, welches mit einem Kwami (Dschinn) magisch verbunden ist und den Träger*innen magische Kräfte verleiht und sie in diesem Fall durch Plagg in Cat Noir, mit der Kraft der Zerstörung und Tikki in Ladybug mit der Kraft der Erschaffung verwandelt. Gemeinsam ergänzen sie sich.
Das besondere an der Heldengeschichte? Die 14-jährige Marinette ist tollpatschig und gleichzeitig sehr kreativ. Ihr fehlt es stark an Selbstvertrauen und dies wird im Film zum Thema. Tikki ist stark bemüht Marinette aufzubauen, an sich selbst zu glauben. Nach und nach gelingt ihr dies und aus “einem ganz normalen Mädchen mit einem ganz normalen Leben” wird die Heldin Ladybug. Das gewonnene Selbstvertrauen wirkt sich auch auf ihren Alltag aus, indem sie für sich selbst zum Beispiel gegen die mobbende Klassenkameradin Chloé eintritt. Mit Ladybug erhalten junge Mädchen eine spannende Identifikationsfigur, welche zeigt, dass an sich zu glauben, Ängste zu überwinden und Neues zu wagen Möglichkeiten eröffnet.
Der Film richtet sich thematisch an Kinder ab der zweiten Klasse. Anschlussfähig an den evangelischen Religionsunterricht in der Grundschule gestalten sich dabei einige Facetten um ER 1/2 LB 9 “Über mich und mein Leben nachdenken”, aber auch LB 10 “mit anderen gut zusammenleben”. In weiterführenden Schulformen dann wohl bei ER7 LB 4 “Verantwortung übernehmen – diakonisches Lernen und Handeln” (Mittelschule), ER6 LB 3: “Wer bin ich?”, ER 8 LB 4: “Diakonie – praktizierte Nächstenliebe” (Realschule).
Der Film ist FSK 0, empfiehlt sich aber aufgrund der Thematiken erst ab ca. acht Jahren mit den Heranwachsenden zu schauen.
Held*innen wohnen nebenan
Damit möchte ich die im Titel aufgeworfene Frage “Brauchen wir Held*innen?” wieder aufgreifen. Prof. Dr. Hans Mendl hat in einem Projekt des Lehrstuhls für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts Kooperationen mit der Passauer Neuen Presse, dem Passauer Bistumsblatt und mit weiteren Publikationsorganen die Datenbank “Local Heroes” aufgebaut.
Man braucht keine Superkräfte, um ein Held bzw. eine Heldin zu sein. Hans Mendl beschreibt in seinem Buch “Helden wohnen nebenan” Helden des Alltags. Sie “schauen nicht weg, sondern hin. Sie sind ein gesellschaftlicher Kitt: Denn sie springen dort ein, wo Hilfe nötig ist, wenn der Sozialstaat an seine Grenzen kommt: in der Nachbarschaftshilfe, bei der Betreuung von Kranken und Sterbenden, als Friedensstifter, Lebensretter, Krisenseelsorger, bei der Telefonseelsorge, bei der Tafel, bei der Flüchtlingshilfe, bei der Bahnhofsmission, bei Hilfsprojekten im In- und Ausland.”
In der Datenbank finden sich Local Heroes, die keine perfekten Menschen sind. Sie zeichnen sich aber durch heldenhafte Tätigkeiten, wenn auch nur auf einen gewissen Zeitraum hin beschränkt, aus. “Kinder, Jugendliche, aber auch erwachsene User der Datenbank sollen durch die Local heroes dazu motiviert werden, über eigene Vorstellungen eines guten und gelingenden Lebens und über Potenziale eines eigenen gesellschaftlichen und religiösen Engagements nachzudenken – das ist das Credo unseres lerntheoretischen Ansatzes […]” heißt es auf der Homepage.
Es lohnt sich unbedingt in der Datenbank nach seinen Local Heroes zu schauen und vielleicht ist man ja selbst ein Local Hero? Vielleicht braucht es nur einen Stups, wie von Tikki, um sich im gesellschaftlichen Segment auf besondere Weise aktiv einzubringen.
Didaktisches Material findet sich in Hans Mendl (2017): Helden auf Augenhöhe. Didaktische Anregungen zur Ausstellung und zur Datenbank “Local Heroes” und Mendl, Hans (2015), Modelle – Vorbilder – Leitfiguren. Lernen an außergewöhnlichen Biografien.
Die Religionspädagogin Corinna Ullmann von der Forschungsstelle für Öffentliche Religionspädagogik an der FAU Erlangen-Nürnberg hat Prof. Dr. Hans Mendl zu diesem Projekt interviewt.
Quellen
Miraculous : Ladybug & Cat Noir – Der Film: https://www.studiocanal.de/title/miraculous-ladybug-cat-noir-der-film-2023/
Local Heroes: https://www.uni-passau.de/local-heroes
Bildquelle Titel: Marinette entdeckt die Marienkaefer-Miraculous. Ist sie bereit für das Abenteuer ihres Lebens? Copyright: © 2023 The Awakening Production – SND
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