von Christian Pfliegel, E-Learning-Entwicklung, Mission EineWelt | veröffentlicht am 13. März 2023
Dieser Text ist die Schriftform eines Vortrages, der von mir im März 2023 im Rahmen der Onlineveranstaltung “Netzwerk Digital” des Digitalportals gehalten wurde.
Für die Nutzung von ChatGPT ist ein Account bei Open AI notwendig. Die Basisversion kann derzeit (Stand März 2023) kostenlos genutzt werden, eine schnellere Plus-Variante kostet 20 Euro pro Monat. Die Seite ist aktuell häufig überlastet, hier lohnt es sich, es einfach immer wieder zu probieren.
Erreichbar ist ChatGPT über diese Webseite: https://chat.openai.com/.
Abstract
Seit ein paar Monaten ist die Künstliche Intelligenz (KI) ChatGPT in aller Munde. Vor allem der Einfluss auf den Bildungsbereich wird kontrovers diskutiert. Ich möchte hier einen Schritt zurückgehen: Um sich eine fundierte Meinung bilden zu können ist es auch wichtig, die Funktionsweise zu verstehen. Deshalb gehe ich kurz darauf ein, wie ChatGPT funktioniert. Danach zeige ich, wie ich die Technik heute schon einsetze. Zum Abschluss möchte ich ethische Fragestellungen diskutieren.
Was ist ChatGPT?
Bei ChatGPT handelt es sich um ein großes Sprachmodell, einen sog. “Chat-Bot”. GPT steht für Generative Pre-Trained Transformer. “Generative” bedeutet, dass etwas erzeugt wird (Texte), “Pre-Trained” ist ein Hinweis, dass das Model trainiert wurde (hierzu später mehr), “Transformer” steht für die Architektur, auf dem die KI basiert (weiterführende Infos zur “Transformer-Architektur” finden sich z.B. hier: https://en.wikipedia.org/wiki/Transformer_(machine_learning_model)).
Veröffentlicht wurde ChatGPT am 30.11.2022 von der Firma Open AI (https://openai.com/) als Nachfolger der KI GPT-3. Da diese immer wieder mit rassistischen, homophoben und sexistischen Aussagen negativ auffiel, wurde bei der Entwicklung von ChatGPT sehr darauf geachtet, dass die Ausgaben möglichst ausgewogen sind. Wie dies technisch erreicht wurde, und welche Probleme dies wiederum mit sich bringt, wird später noch Thema sein.
ChatGPT erreichte bereits nach zwei Monaten 100 Millionen aktive Nutzer*innen (Quelle: https://www.golem.de/news/kuenstliche-intelligenz-chatgpt-stellt-rekord-fuer-schnellwachsende-nutzerzahlen-auf-2302-171634.html). Viele sprechen bei dieser Entwicklung bereits von einem “iPhone-Moment für KI-Systeme” (für die jüngeren Leser*innen: die Vorstellung des ersten iPhones im Jahr 2007 änderte die Nutzung und die Verbreitung von Mobiltelefonen nachhaltig: Vor dem ersten iPhone waren Handys relativ groß, schwer und ohne Touchscreen, die Nutzung des Internets war nur eingeschränkt und mit hohen Kosten möglich). Seit Januar 2022 hat Microsoft damit begonnen, ChatGPT in seine Suchmaschine Bing zu integrieren, was perspektivisch noch einmal einen Bedeutungszuwachs mit sich bringen wird.
ChatGPT “lernt” zwar laufend hinzu, der ursprüngliche Datensatz endet jedoch im September 2021. Dies hat zur Folge, dass ChatGPT keine ausführlicheren Aussagen zu Ereignissen machen kann, die später stattgefunden haben.
Wie sieht ChatGPT aus? Was kann ChatGPT?
Bilder sprechen mehr als 1000 Worte, daher zwei Screenshots von aktuellen Anfragen, die ich an ChatGPT gestellt habe:
Beide Screenshots verdeutlichen mehrere Aspekte von ChatGPT:
- Die Texte lesen sich flüssig und sind nur sehr schwer von Texten zu unterscheiden, die ein Mensch verfasst hat.
- Die Datenbasis ist so groß, dass sich ChatGPT zu vielen Themen äußern kann. Vor allem die Suche nach den Infos zu elkbLernen würde für einen Menschen viel Zeit in Anspruch nehmen, da sie sehr verstreut zu finden sind.
- Der Text zu Mission und Kolonialismus zeigt, wie sehr ChatGPT auf Ausgewogenheit und differenzierte Blickwinkel ausgerichtet ist.
Was ist Künstliche Intelligenz (KI)?
Zwar basiert KI auf Algorithmen, ist mit diesen jedoch nicht gleichzusetzen.
Exkurs: Was ist ein Algorithmus?
Algorithmen funktionieren im Grunde wie Kochrezepte. Sie sind eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, mit der Programmier*innen dem Rechner sagen, was zu tun ist.
Das Programm läuft von oben nach unten. Im ersten Schritt fragt das Programm nach der Temperatur in Fahrenheit, im zweiten Schritt rechnet es die Eingabe um und im dritten Schritt gibt es das Ergebnis als Ausgabe aus.
Eine gleiche Eingabe führt zu einem gleichen Ergebnis! Dies ist bei KI-Systemen anders: ChatGPT erzeugt auf jede Frage eine andere Antwort, das Ergebnis ist jedes Mal anders. Diese Tatsache stellt (Hoch-)Schulen vor große Herausforderungen, da dadurch die automatisierten Plagiatsprüfer, die nach bekannten Texten suchen, nicht funktionieren.
KI – Machine Learning – Deep Learning
Das Ziel beim Einsatz von KI ist es, menschliches Verhalten zu simulieren. Teilbereiche von KI sind dabei die Felder Machine Learning und Deep Learning:
Bei Machine Learning-Ansätzen werden Daten mit bekannten Zusammenhängen eingegeben. Ziel ist es, dass die KI Strukturen lernt, die sie später auf unbekannte Zusammenhänge anwendet. Ein Beispiel für einen Praxiseinsatz von Machine Learning sind Produktempfehlungen in Onlineshops.
Deep Learning-Strukturen bestehen aus mehreren Schichten (Ein-/Ausgabe, verborgene Schicht). Ziel ist es, das menschliche Gehirn zu simulieren. Beispiele für den Praxiseinsatz sind das autonome Fahren und automatisierte Bilderkennung. Auch ChatGPT ist dem Deep Learning-Ansatz zuzuordnen, die namensgebende Transformer-Architektur ist eine Deep Learning-Architektur.
Wie funktioniert ChatGPT?
ChatGPT ist ein sog. neuronales Netz, das Milliarden von Parametern und Informationen (bis zum Jahr 2021) enthält. Wie oben beschrieben ist dieses Netz darauf trainiert, Zusammenhänge zu erkennen und auf unbekannte Zusammenhänge zu übertragen. Genau hier liegt die technische Herausforderung: Es geht darum, dass das Netz nicht nur Informationen auswendig lernt, sondern dass diese neu verknüpft werden. Bei GPT 3 kam es dabei wie oben erwähnt zu zahlreichen Problemen, da bspw. Rassismus und Sexismus in die KI eingeflossen waren. Das Problem kommt daher, dass quasi das komplette Internet als Informationsquelle in die KI eingeht, leider auch mit allen hässlichen Seiten. Da es unmöglich wäre, diesen riesigen Datenberg zu sichten und zu sortieren, wurde bei der Entwicklung von ChatGPT ein neuartiger Ansatz verfolgt, der sich als die entscheidende Idee hinter ChatGPT herausstellt: Es wurde ein kleines neuronales Netz entwickelt, das von Menschen trainiert wurde: Unerwünschte Inhalte wurden entfernt, die Antworten der KI wurden sortiert und zurückgespielt, sodass das kleine Netz (das immer noch eine riesige Menge an Daten enthält) immer besser wurde. Im nächsten Schritt wurde dieses kleine Netz genutzt, um das große Netz zu trainieren. Dargestellt wird dieses Vorgehen in der folgenden Abbildung:
Video-Tipp: Die Technik hinter ChatGPT wird sehr gut in diesem Video erklärt: https://youtu.be/jcrBBxXK368.
Für alle Interessierten, die sich ausführlicher mit der doch etwas abstrakten Funktionsweise der neuronalen Netze beschäftigen möchten, empfehle ich diesen Artikel auf golem.de: https://www.golem.de/news/kuenstliche-intelligenz-so-funktioniert-chatgpt-2302-171644.html.
Einsatzmöglichkeiten
Der Vorteil von ChatGPT ist die sehr einfache Nutzung. Technische Vorkenntnisse sind keine notwendig, es kann natürliche Sprache eingegeben werden, präzisiert wird einfach durch Nachfragen oder weitere Angaben.
In folgenden Kontexten habe ich ChatGPT schon eingesetzt:
1. Blick von außen
ChatGPT eignet sich sehr gut, um einen “objektiven” Blick von außen auf die eigene Einrichtung zu bekommen, der dann als Grundlage für weitere Reflexionen genutzt werden kann. Wie wird meine Organisation/Arbeit “von außen” wahrgenommen?
Beispiel:
2. Kurze Texte
Für das Verfassen kürzer Texte ist ChatGPT bereits heute sehr gut geeignet. So wurde beispielsweise die Einladung zu dieser Veranstaltung von ChatGPT verfasst: “Beim nächsten Treffen befassen wir uns mit den Möglichkeiten von ChatGPT für unsere Bildungsbereiche. Ich werde die Anwendungsmöglichkeiten von ChatGPT vorstellen und diskutieren, um ein besseres Verständnis dafür zu entwickeln, wie KI-gestützte Technologien die Zukunft der Bildung beeinflussen können. Neben konkreten Anwendungsfällen aus der Praxis möchte ich der Frage nachgehen, ob in diesem Kontext wirklich von ‚Intelligenz‘ gesprochen werden kann, oder doch besser von ‚Algorithmen‘.”
3. Zusammenfassungen
Sehr mächtig ist ChatGPT, wenn es längere Texte zusammenfassen soll. Diese können entweder direkt eingegeben werden, aber auch Links zu Texten sind möglich.
4. Brainstorming und erste Schritte
Ich persönlich nutze ChatGPT so, dass ich das Programm für mich “brainstorme” lasse, um den Einstieg in ein (neues) Thema zu finden.
5. Bilder
Neben dem reinen Textmodul gibt es auch ein graphisches Modul mit dem Namen DALL-E (zu erreichen über diesen Link: https://labs.openai.com/). Mit diesem Modul können Bilder und Grafiken von einer KI angefertigt werden, die frei verwendet werden dürfen, da es keine Urheberin im ursprünglichen Sinn gibt:
6. Programmierung
ChatGPT ist darauf trainiert, direkt Code zu generieren. Damit können kleinere und größere Projekte umgesetzt werden. Die Potentiale werden in diesem Video sehr anschaulich dargestellt: https://youtu.be/YkhdP9ZYi3s.
Ethische Probleme und Fragestellungen
ChatGPT kann sehr vielfältig genutzt werden. Studien kamen zu dem Ergebnis, dass die KI sogar in der Lage ist, Hochschulabschlüsse zu erreichen, Klausuren werden teils problemlos bestanden. Dennoch müssen auch die Probleme, die mit ChatGPT verbunden sind, thematisiert werden:
- Energieverbrauch
In den ersten 30 Tagen hat ChatGPT eine Gigawattstunde Strom verbraucht. Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher 2-Personen-Haushalt verbraucht im Jahr 0,003 Gigawattstunden … - Arbeitsbedingungen
Wie oben beschrieben wurde das “kleine” neuronale Netzwerk manuell von Menschen trainiert. Um unerwünschte Inhalte auszusortieren, mussten diese gesichtet werden. Diese psychisch sehr belastende Arbeit (Stichworte: Gewaltdarstellungen, Vergewaltigungen usw.) wurde an “billige” Arbeitskräfte im globalen Süden “ausgelagert” mit unabsehbaren Folgen für die Psyche der Arbeiter*innen. Weitere Details hierzu finden sich in diesem Artikel: https://netzpolitik.org/2023/globaler-sueden-prekaere-klickarbeit-hinter-den-kulissen-von-chatgpt/. - Urheberrecht
Basis für das Funktionieren von ChatGPT sind Milliarden von Dokumenten, Texten und Bildern. Diese wurden von irgendwem irgendwann erstellt – für die Nutzung haben aber die Urheber*innen nie Geld von Open AI bekommen, obwohl die Ausgabe von ChatGPT genau auf diesen Ursprungsdaten basiert. - Transparenz
Es ist nicht nachvollziehbar, welche Daten für das Training von ChatGPT verwendet wurden. Auch die genaue Funktionsweise der Algorithmen ist als Geschäftsgeheimnis nicht öffentlich einsehbar. Fraglich ist auch, wie die Eingaben der Nutzer*innen verwendet werden, um die KI weiterzuentwickeln. Aus diesen Gründen ist auch dringend davon abzuraten, persönliche Daten einzugeben! - Falsche Daten
Trotz des Trainings finden sich viele falsche Daten im Netzwerk, Ausgaben müssen immer hinterfragt und geprüft werden. Auch falsche Tatsachen werden von ChatGPT ohne Einordnung als Fakten ausgegeben! - Wie sollen (Hoch-)Schulen und der Bildungsbereich mit ChatGPT umgehen?
Teils sind die Ausgaben von ChatGPT enorm gut, Hausaufgaben oder auch Abschlussarbeiten können schon heute mit Hilfe der KI erstellt werden. Welchen Einfluss dies auf den formalen Bildungsbereich nehmen wird, ist derzeit völlig offen: Diskussionen und Ideen reichen von einem Verbot bis hin zur Vorstellung “ChatGPT als Lern-Buddy”. ChatGPT könnte Ungleichheiten in der Bildung verringern, indem jede*m die Möglichkeit offen steht, Unterstützung zu bekommen. Das Beispiel der ausgebeuteten Arbeitskräfte im globalen Süden ist gleichzeitig ein Hinweis darauf, dass KI auch in Zukunft “ein Instrument der Mächtigen” bleiben könnte (https://www.zeit.de/digital/2023-01/chatgpt-ki-training-arbeitsbedingungen-kenia).
Abschluss und Ausblick
Abschließend kann gesagt werden, dass ChatGPT eine neue, faszinierende Technik mit vielen Potentialen ist. Aber auch die dargestellten Problemfelder dürfen nicht übersehen werden. Wichtig beim Verfassen des Textes war mir, die zugrundeliegende Technik zu erklären, da dies meiner Meinung nach hilft, die Potentiale, die Grenzen und die Probleme der Technik emanzipierter und kompetenter zu beurteilen.
Ausblick 2: GPT-4
Am 14.03.2023 hat OpenAI GPT-4 veröffentlicht. Diese neue Version ist nicht nur deutlich leistungsfähiger (die genaue Anzahl der verarbeiteten Parameter im Vergleich zum Vorgängermodel wird von OpenAI als Geschäftsgeheimnis unter Verschluss gehalten). Erste Test deuten darauf hin, dass GPT-4 bspw. in Abschlusstests noch einmal besser abschneidet. Eine weitere Entwicklung ist, dass nun nicht mehr nur Text eingegeben werden kann sondern auch Bilder. Aufgaben, wie das Erstellen einer Webseite, können nun auch einfach aufgezeichnet werden. Sehr eindrücklich gezeigt werden diese neuen Möglichkeiten in diesem Video:
Abschließend bleibt zu sagen, dass die Entwicklungsgeschwindigkeit im Bereich KI derzeit enorm ist. Daher bleibt es wichtig, dieses Feld gut im Blick zu behalten – sowohl hinsichtlich der Möglichkeiten, aber auch hinsichtlich der Problemfelder!
Lizenz
Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international Lizenz. Weitere Informationen finden Sie unter https://creativecommons.org/licenses/bysa/4.0/. Materialien aus anderen Quellen sind klar kenntlich gemacht und unterliegen unter Umständen einer anderen Lizenz! Insbesondere Screenshots aus zoom sind nicht als offene Lizenz freigegeben, da hier die Rechte bei zoom.us liegen.
Die Lizenz soll bei Weiterverwendung wie folgt genannt werden: CC BY SA 4.0 Christian Pfliegel
1 Kommentar
Chat GPT · 27. Juli 2023 um 03:27
Liebes ELKB-Team,
ich möchte mich herzlich für den informativen Artikel über ChatGPT bedanken. Es ist wirklich spannend zu sehen, wie diese Technologie in der Bildungsarbeit genutzt werden kann und ich schätze die ausführliche Darstellung der ethischen Fragen, die damit einhergehen. Es ist wichtig, dass wir uns bewusst mit solchen Entwicklungen auseinandersetzen, um sie verantwortungsvoll einzusetzen.
Vielen Dank für eure Arbeit und ich freue mich schon auf weitere interessante Artikel!
Viele Grüße,
Arianna Sutton